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Colchicin beim Gichtanfall

Colchicum autumnale
Colchicin wird auch heute noch aus dem Samen der Herbstzeitlose hergestellt.

Die klassische Therapie des Gichtanfalls ist die Verabreichung von Colchicin (Colchizin). Es ist der Wirkstoff der Herbstzeitlose (lateinisch Colchicum autumnale, siehe Bild oben), die sich auch auf deutschen Wiesen findet. Colchicin wird (auch heute noch) aus ihren Samen gewonnen. Allerdings darf man nicht glauben, dass es sich bei Colchicin um ein nettes Mittel aus der sanften Pflanzenapotheke handelt. 

 

Die Wirkung der Herbstzeitlose (bzw. des in ihr enthaltenen Colchicins) ist seit der Antike bekannt: Sie wurde als Mord- beziehungsweise Selbstmordgift genutzt. Auch heute kommt es im Frühjahr noch zu Vergiftungen mit ihr, da sie mit dem Bärlauch verwechselt werden kann.

Colchicin hat keine schmerzlindernde oder entzündungshemmende Wirkung. Trotzdem unterbricht es bei Gicht relativ wirkungsvoll die Entzündungsreaktion und kann gegebenenfalls auch zur Vorbeugung von Gichtanfällen eingesetzt werden.

 

Normalerweise werden die Harnsäurekristalle von Fresszellen aufgenommen. Diese veranlassen die Entzündungsreaktion und scheiden Milchsäure aus. Die saure Umgebung führt wieder zur Bildung von mehr Harnsäurekristallen. Ein Teufelskreis entsteht. Colchicin hindert die Fresszellen an der Aufnahme der Harnsäurekristalle; die Entzündungsreaktion klingt ab.

 

Colchicin weist eine geringe therapeutische Breite auf. Soll heißen, dass zwischen der wirksamen und der schädlichen Dosis nur ein geringer Spielraum besteht. Eine Überdosierung ist daher unbedingt zu vermeiden. Je höher die Dosierung, desto mehr Nebenwirkungen (Übelkeit, Erbrechen, Durchfall) sind zu erwarten. Diese Nebenwirkungen können zur Folge haben, dass die zur Behandlung des Gichtanfalls benötigte Wirkstoffdosis gar nicht aufgenommen wird.

 

  

Colchicin ist ein Mitosegift. Das heißt, es hemmt die Zellkernteilung in einem bestimmten Stadium; die Zellen sterben ab. Während und nach der Behandlung muss für eine geeignete Empfängnisverhütung gesorgt werden! Bei behandelten Frauen sind drei Monate erforderlich, bei Männern sechs Monate.

Dosierung

Man findet nur wenige Medikamente, bei denen Dosierungsangaben so weit auseinandergehen. Hier die wichtigsten Dosierungsstandards:

  • Empfehlung der Europäischen Rheumaliga sowie der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (in Anlehnung an den amerikanischen Standard). Soll Colchicin zum Einsatz kommen, ist diese Dosierung nicht schlechter wirksam als die unten genannte klassische Dosierung: 
    • Innerhalb von 12 Stunden nach Beginn des Gichtanfalls: 
      • Startdosis 1 mg Colchicin (i. d. R. also zwei Tabletten zu je 0,5 mg)
      • Danach einmalig 0,5 mg nach einer Stunde.
      • Ergänzend kann ein NSAR oder Cortison verschrieben werden
  • Klassische Dosierung 
    • Behandlungsbeginn mit 1 mg (i. d. R. also zwei Tabletten zu je 0,5 mg).
    • Danach alle ein bis zwei Stunden 0,5 bis 1,5 mg bis zum Abklingen der Schmerzen.
    • Maximal 8 mg pro Tag. Maximal 12 mg pro Gichtanfall
  

Sprechen Sie im Zweifelsfall mit dem Arzt, der Ihnen das Colchicin verschrieben hat, über die Dosierung und gegebenenfalls Alternativen zu Colchicin. Bei Colchicin geht der Trend heute eindeutig zu den niedrigeren Dosierungen.

 

Mögliche häufige Nebenwirkungen

Durchfall, Bauchschmerzen, Übelkeit und Erbrechen

Verfügbarkeit Rezeptpflichtig
Handelspräparate

●  Colchicin-Medikamente enthalten in der Regel Trockenextrakt aus der Herbstzeitlose. Das bekannteste Präparat in Tablettenform ist Colchicum-Dispert.

●  Colchysat Bürger enthält Colchicin in Flüssigkeit (Tropfen). Es ist damit flexibler zu dosieren, es besteht aber auch ein höheres Risiko falscher Dosierung.

Alternativen

●  NSAR

●  Cortison

  

Colchicin hat selber keine direkte schmerzstillende Wirkung. Daher ist eine Kombination mit einem NSAR sinnvoll.

Colchicin zur Vorbeugung (Prophylaxe) von Gichtanfällen bei einer harnsäuresenkenden Behandlung

Alle harnsäuresenkenden Medikamente können bei Behandlungsbeginn durch die Auflösung von Harnsäureablagerungen in den Geweben mehr oder minder schwere Gichtanfälle auslösen. Oft dauert es nur wenige Tage bis zum Auftreten von diesen „reaktiven“ Gichtanfällen; es kann bis zu sechs Monaten dauern, bis vorhandene Harnsäureablagerungen soweit abgebaut sind, dass es zu keinen weiteren medikamentenbedingten Gichtanfällen kommt.

 

Diesen Gichtanfällen kann bei Bedarf mit Medikamenten vorgebeugt werden. Dies ist insbesondere bei Harnsäurewerten sinnvoll, die schon sehr lange sehr hoch sind. Dem Arzt stehen hier niedrig dosiertes Cortison, ein niedrig dosiertes NSAR oder niedrig dosiertes Colchicin zur Auswahl. Diese Medikamente werden üblicherweise für die ersten drei (manchmal auch sechs) Monate der harnsäuresenkenden Behandlung verordnet. Colchicin hat eine gute vorbeugende Wirkung, dennoch sollte der Arzt Nutzen und Risiko abwägen.

 

Dosierung zur Vorbeugung (Prophylaxe) von Gichtanfällen

Eine vorbeugende Behandlung mit Colchicin sollte mindestens acht Wochen dauern und sechs Monate nicht überschreiten. Auch wenn sich in der Literatur teilweise Dosierungen von 1 bis 1,5 mg Colchicin pro Tag finden, sind niedrigere Dosierungen von 0,5 mg jeden zweiten Tag bis 0,5 mg pro Tag wahrscheinlich ausreichend. 


Bildnachweis

Seitenkopf: Ulrik Andresen

Illustration Colchicum autumnale: Prof. Dr. Otto Wilhelm Thomé, public domain