Dass unbehandelte Gicht nicht nur zu Gichtanfällen führt, sondern auch noch verschiedene andere negative Auswirkungen auf die Gesundheit hat, ist hinlänglich bekannt. Anscheinend müssen wir uns jetzt mit einer weiteren Nebenwirkung von Gicht beschäftigen: „Erektile Dysfunktion“ oder auf gut deutsch: Erektionsstörungen.
Der amerikanischen Ärztin und Gicht-Forscherin Naomi Schlesinger fiel vor einigen Jahren auf, dass sie Viagra zu einem überdurchschnittlichen Anteil an Gicht-Patienten verordnete. Sie führte dann eine Studie durch um zu untersuchen, ob es einen Zusammenhang zwischen Gicht (beziehungsweise erhöhten Harnsäurewerten) und Erektionsstörungen gibt. Das Ergebnis zeigte, dass, auch wenn man Faktoren wie Alter, Körpergewicht und Bluthochdruck außer Acht lässt, Gicht-Patienten signifikant öfter unter erektiler Dysfunktion leiden als andere Patienten.
Eine spätere Fallkontrollstudie bestätigte diese Erkenntnis und kam weiterhin zu dem Ergebnis, dass die Wahrscheinlichkeit von Erektionsstörungen direkt vom Harnsäurewert des Patienten abhängig ist. Ab einem Harnsäurewert von 4,5 bis 5,6 mg / dl (also einem Wert der üblicherweise als unkritisch eingestuft wird) steigt das Risiko für Erektionsstörungen bereits an. Mit jedem zusätzlichen Milligramm Harnsäure verdoppelt sich dann das Risiko für erektile Dysfunktion! Weitere Studien bestätigen dies.
Allerdings ist sich die Fachwelt noch nicht sicher, ob dieser Zusammenhang zwischen Gicht (bzw. einem erhöhten Harnsäurewert) und erektiler Dysfunktion tatsächlich besteht oder nicht. Eine datenbankbasierte britische Studie aus dem Jahr 2009 (die erste Studie zu diesem Thema überhaupt) kam zu dem Ergebnis, dass es keinen Zusammenhang zwischen Gicht und Erektionsproblemen gibt. Trotzdem stellen sich Ärzte und Forscher zunehmend darauf ein, dass ein Zusammenhang existiert oder zumindest existieren könnte. Die EULAR (Europäische Rheuma Liga) empfiehlt Ärzten daher, Gichtpatienten auch routinemäßig zum Thema Erektionsprobleme zu befragen.
Bis man von gesichertem Wissen sprechen kann, werden weitere Studien zu diesem Thema benötigt. Auch die Frage, ob eine Senkung des Harnsäurewerts bestehende Erektionsprobleme wieder beheben kann, ist noch zu beantworten. Trotzdem sollten Sie den potentiellen Zusammenhang zwischen dem Harnsäurewert und erektiler Dysfunktion zum (zusätzlichen) Anlass nehmen, ihren Harnsäurewert wirksam zu senken und regelmäßig kontrollieren zu lassen. Und wenn Sie vermuten unter erektiler Dysfunktion zu leiden, sollten Sie unbedingt mit Ihrem Hausarzt oder Urologen darüber sprechen (unabhängig davon, ob die Gicht hier jetzt eine Rolle spielt oder nicht). Seien Sie nicht schüchtern, Ihr Arzt ist da um Ihnen zu helfen und kennt das Thema erektile Dysfunktion aus seiner täglichen Praxis.
Bildnachweis
Seitenkopf: ollikainen / 123RF Standard-Bild